Kino der narrativen Freiheiten Cinema of Narrative Liberties
„Auf den ersten Blick zart, unaufgeregt und voller Poesie entfalten sie schonungslos die aus Phantasmen bestehende Welt ihrer Protagonisten, wie in einem schönen Rausch. Die Schonungslosigkeit dieser mit großer Sorgfalt und Liebe zum Detail entstandenen Bilder liegt auch bei 3/4 in der Alltäglichkeit des Dramatischen.”(Stefanie Schulte Strathaus)
„Höhnes Werk zeichnet sich durch eine virtuose Beiläufigkeit aus. …Läuft es gut, dann ist beim Verlassen des Kinos etwas Wundervolles in einem entstanden: Tatendrang.” (Johan Dehoust in DIE ZEIT)
Frauen erforschen ihre Lust, nehmen sich selbstbestimmt Körper und Raum- der Alltag ist in Bewegung. Ohne eine Einbindung des Alltäglichen in die filmische, fiktionale Erzählung und damit ein Einschreiben einer anderen Perspektive auf die Beziehung von Mann und Frau, gibt es keine Veränderung eben dieser Sichtweise. Die ersten kurzen Filme von Maike Mia Höhne erinnern in ihrer künstlerischen Herangehensweise an die Arbeiten von Ula Stöckl, Chantal Akermann, Valie Export und schreiben damit eine feministische Perspektive in der Sinnlichkeit einen großen Platz einnimmt fort.
Maike Mia Höhne: Studium an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg in den 1990er Jahren. In einem Kräftefeld von großen gesellschaftlichen Verschiebungen und kleinsten inner-schulischen Einheiten entstand eine Vielzahl von Filmen, die frei von Einspruch waren. Filme, die sich in einem gesellschaftlichen Vakuum den Raum für Grenzüberschreitungen nahmen. Diese Filme ignorieren die große Geschichte und den Plot-Point-Verlauf. Suchen ihre eigenen Dramaturgien. Auf der Suche nach Authentizität, werden dokumentarische Strategien angewendet, die in die fiktionale Inszenierung münden. Arbeit mit Laien, Freund*innen der Regisseur*innen, Verzicht auf Maske und Kostüm im Sinne des konsumen- tenfreundlichen Verwendens für TV Produktionen. Gerötete Wangen sind gerötete Wangen. Die Situationen, die in den Filmen beschrieben werden, sind altersgemäß: Menschen auf der Suche nach dem Partner, Beschreibungen von Sehnsüchten und dem Scheitern derselben. Die Politik ist weit entfernt. Miniaturen einer städtischen Jugend. Die Filme vermitteln eine Unmittelbarkeit, die anziehend und verführerisch ist. Diese Unmittelbarkeit schreibt sich ein.
Rüdiger Neumann ist Professor für Experimentalfilm an der HFBK. Mit »Archiv der Blicke« und »Meridian oder Theater vor dem Regen« hat er strukturelle filmische Archive des Westens angelegt. Die zeitgenössischen Musikvideos auf MTV und VIVA sind die neuen Labore des Experimentalfilms. Die alte Schule steht an einem Wendepunkt. Ihre künstlerischen Strategien sind auserzählt. Zumindest empfindet das so Rüdiger Neumann und legt seinen Kopf auf den Tisch. Er ist müde. Einmal in der Woche fand sein Experimentalfilmseminar statt. Dann wurden abwechselnd die Produktionen aus der Klasse vorgestellt. Die Kritik von Seiten Neumanns war zutiefst subjektiv.
Für die Studierenden ist es wichtig, in die Seminare der Professoren oder der einzigen Professorin Helke Sander integriert zu sein. Nur so gibt es Scheine für die Entwicklung des Filmmaterials. Um in die Klasse aufgenommen zu werden, musste eine Arbeit gezeigt werden. Ich zeigte meinen kurzen Spielfilm »Ce sont les autres qui vont mourir«. Rüdiger Neumann sagte nur: »Du wirst Filmemacherin.« – »Warum?«, fragte ich. »Weil das so ist«, sagte er. Ich war aufgenommen. Befriedigt hat mich die Antwort nicht. Später verstand ich, dass meine – auch späteren – Arbeiten Wahlverwandtschaften mit den Filmen von Valie Export, Catherine Breillat und Chantal Akerman waren. Imaginäre Vorbilder. Die Arbeiten dieser Künstlerinnen und Regisseurinnen waren nie Thema im Seminar, geschweige denn ihre Filme auf der Leinwand zu sehen. Das heißt, den Körper der Erinnerung, die filmischen Bezüge, musste ich, wenn er außerhalb des als selbstverständlich genommenen vermittelnden Filmkanon lag, selbst finden. Ähnlich wie das feministische Kino im Experimentalfilm keine Rolle spielte, obwohl das gerade heute sehr anders bewertet wird, spielten zum Beispiel auch Produktionen aus der DDR an der Hochschule keine Rolle. Der filmische subversive Aufbruch der DDR versackerte auf der Kastanienallee. Der Blick von der Hochschule ging, mit Ausnahme des Kinos von Dziga Vertov (wobei auch dort seine Frau Yelizaveta Svilova keine Rolle spielte) und Mr. Eisenstein, Richtung Westen. Der Kanon der Filme war normativ weiß, männlich. Siegerfilme. Das französische Kino stand hoch im Kurs.